Alt Rüdnitz

Der Ort wird 1299 zum ersten Mal erwähnt, als das Feld „Rudenitz“ die Grenze des Zehdener Besitzes bildete. 1345 wurde das Dorf „Rudenitz“ dem Zisterzienserinnen-Kloster Zehden übereignet. Die Zisterzienser siedelten deutsche Bauern an, um die Landwirtschaft anzukurbeln. Das Kloster spielte eine bedeutende Rolle bei der Christianisierung der Neumark und von Vorpommern. Im 15. Jahrhundert gehörte es kurzzeitig zum Ordensritterstaat des Deutschen Ordens, danach wieder zum Kurfürstentum Brandenburg.

Nach der Reformation wurde das Kloster 1555 enteignet. Die Nonnen konnten noch bis 1611 im Kloster verbleiben. Als das Kloster mit seinen Ländereien in den Besitz des brandenburgischen Kurfürsten Johann Sigismund überging, mussten die letzten Zisterzienserinnen das Kloster verlassen. Die Ländereien und Dörfer gehörten seitdem zum  königlichen Amt Zehden. Die Dorfbewohner waren weiterhin „Untertanen“.
1718 werden „Hufenklassifikationen“ durchgeführt, sozusagen eine Landbesitz-Zählung mit Registrierung der Namen. Eine „Hufe“ ist ein Landmaß.

In Alt Rüdnitz werden 1718 genannt:

49. (Alt-)Rüdnitz. – Rh.; 10 Bh., 33 Kh.; 44 – 43 – ? Besitzer: das Königl. Amt Zehden.

Der Lehnschulze (?) mit 4, 3 Bauern mit je 2 H.: H. Köhler, Kp. Köhler, H. Wiehle. – 29 Fischer mit je 1 Hufe: M. Bendig, Mrt. Melchow, H: Otterstein, M. Rehtorff, Mrt. Gentzmer, Chn. Klaue, H. Mielentz, P. Lieben (=Lüben), M. Gentzmer, Jg. Lüben, Jk. Schröder, H. Köhler, H. Mentzke, M. Feldhan, Mrt. Matthis, Mrt. Schilling, M. Dewitz, Mrt. Feldhan, Chn. Dewitz, Mrt. Dewitz, H. Dewitz, P. Dewitz. Mrt. Mentzke, Chn. Matthies, Bt. Schultze, H. Schilling, Mrt. Lüben, H. Lüben, Brt. Koch. Mit je 1 H. der Schneider Gf. Brand, der Küster, der Hirt, der Müller.

10 Neu= oder Freihäusler: Schmied Mrt. Fehlan, Böttcher Mrt. Schmalland, Schneider Gf. Brand, H. Lubatz, Pt. Erdmann, Dav. Donner, Mrt. Schätzke, And. Heinrich, Jch. Blume, Hirt Mrt. Lincke. –

Der Acker, in 2 Felder geteilt, ist rein u. wird Jahr um Jahr besät. Das Land an der Oder ist gut u. dient meist zu Hanfgärten. Der Bauer gewinnt 5 F. Heu, alle Kossäten 258. Weide in trockenen Jahren gut, sonst Stallfütterung. Viehstand auf 2 Hufen: 3 Pferde, 7 Rinder, 4 Schweine, 4 Schafe. Strauchholz zum Brennen. Einige Bienenstöcke. Der Krüger verschänkt 100 T. Bier. Ein Küster mit Land für 1 1/4 Sch. Hanf.

Hufenklassifikation in der Neumark von 1718

Als um 1750 Friedrich der Große auf der gegenüberliegenden Seite der Oder das Oderbruch trockenlegen ließ und viele neue Dörfer (Kolonien) gegründet wurden, bekam das ehemalige „Rüdenitz“ den Namen „Alt Rüdnitz“, um es von der Kolonie „Neu-Rüdnitz“ zu unterscheiden.
1748 wurden 10 Familien aus der Unterpfalz angesiedelt und danach kamen immer mehr Neusiedler. Der Bevölkerungszuwachs und die Parzellierung der Grundstücke bewirkte, dass nicht mehr alle Rüdnitzer vom Fischfang und der Landwirtschaft leben konnten. Der neue Berufszweig „Arbeiter“ entstand. Es waren meist Tagelöhner, die in den Grüneberger Steinbrüchen oder auf den Ländereien der Gutsherren arbeiteten. Die Kinder waren ab einem Alter von 10 oder 12 Jahren verpflichtet, als Dienstmädchen bzw. Knecht zu arbeiten.

War Alt Rüdnitz noch bis zum 17. Jahrhundert ein Dorf von relativ gleichgestellten Fischern und Bauern gewesen (außer dem Lehnschulzen), begann im 18. Jh. die Dorfgemeinschaft in arm und reich auseinanderzuklaffen. Die sogenannte „Bauernbefreiung“ um 1810 verschärfte diesen Zustand noch.

Die Lebensbedingungen wurden immer schlechter. In der Mitte des 19. Jh, nach den Weber-Aufständen und der Märzrevolution (1848) begann eine große Auswanderungswelle. Sehr viele Familien wanderten wanderten nach Nordamerika aus. Im Deutschen Kaiserreich (ab 1871) überlegte man sich Maßnahmen gegen die Auswanderungswellen. Ab 1890 bot die „Königlich Preußische Ansiedlungskommission für Westpreußen und Posen“ günstige Rentengrundstücke an (Der Osten sollte mit Deutschen besiedelt werden). Mehrere Familien (darunter auch mein Ururgroßvater) siedelten nach Westpreußen oder Posen um.

1750 war die evangelische Kirche in Alt Rüdnitz bereits „mater“. Wegen der vielen Neusiedler (Kolonisten) enstand noch eine Altlutheraner Gemeinde, die ihre eigene Kirche errichten durfte. Die große evangelische Kirche wurde 1839 in der Zeit Friedrich Wilhelms III. neu gebaut. Die alten Glocken wurden übernommen: eine Glocke hatte die Jahreszahl 1624, die zweite stammt aus dem Jahr 1770. Die Kirche hatte einen hohen, quadratischen Steinturm. Die  evangelische Kirche wurde 1945 bis auf die Grundmauern zerstört. Die kleine Altlutheraner Kirche blieb stehen und ist heute katholisch.

Alt Rüdnitz hatte ein eigenes Standesamt, eine Poststation und zwischen dem Nachbardorf Zäckerick und Alt Rüdnitz lag der Bahnhof der Wriezener Bahnlinie – mit neuer Brücke über die Oder.

Am 31. Januar 1945 wurde die Bevölkerung unvorbereitet von der russischen Front überrollt. Die Bewohner wurden nach Osten vertrieben; nach der Kapitulation konnten sie zwar zurückkehren, wurden aber Mitte Juni 1945 aus ihren Wohnungen geworfen und mit wenig Gepäck über die Oder vertrieben.

Während der letzten Kriegswochen 1945 wurde nicht nur die Kirche (mitsamt allen Kirchenbüchern) und ein großer Teil der Häuser zerstört. Auch der Friedhof wurde geschleift, wie viele andere Friedhöfe. Reste des Friedhofs befinden sich einige hundert Meter vom Dorf entfernt im Wald. Die gesamte Anlage ist stark zerstört und die Inschriften sind nicht mehr lesbar. Nur Teile der Friedhofsmauer und einige Bruchstücke von Grabsteinen sind noch erhalten.

Heute gehört der Ort zu Polen und heißt „Stara Rudnica“. In den nach der Zerstörung übrig gebliebenen Häusern wohnen ausschließlich polnische Familien.

Ahnenfamilien aus Alt Rüdnitz:

FamiliennameHufenklassifikation von 1718Letztes Auftreten
Haase/HarseGüstebieseAlt Rüdnitz 1799
HerseLietzegörickeHenriette Moritz, geb. Herse, * 1825, ist mit der Familie Moritz um 1890 nach Wilhelmsau, Kr. Kulm, Westpreußen, ausgewandert. Dort starb sie 1914.
Ihre Zwillingsschwester Caroline Klemke, geb. Herse, * 1825, wanderte mit ihrem Mann August Ludwig nach Nordamerika aus. Sie starb 1892 in West Point, Nebraska.
IhnowCüstrinchenAlt Küstrinchen. Die ganze Familie ist nach Nordamerika ausgewandert
KlemerZachow, CüstrinchenAlt Rüdnitz 1799 – 1857. Nach Nordamerika ausgewandert. Carl Henry Klemer gründete 1865 in Minnesota die Wollfabrik „Faribault Woolen Mills“, die heute noch existiert.
KnippelAnna Luise Knüppel, * ca. 1805 ist nach dem Tod ihres Mannes 1868 als Großmutter mit der Familie ihres Sohnes Wilhelm nach Wisconsin ausgewandert.
KrauseFriederike Krause: Ihr Mann Joh. Michael Herse, stab 1857 in Alt Rüdnitz.
Matthes (Matthis)RüdenitzAlt Rüdnitz * 1788, Emilie Moritz, geb. Matthes, + 1936 in Laaske/ Prignitz
MelcherCüstrinchenAlt Rüdnitz 1799
MoritzSelchow, Groß Wubiser, Groß Mantel, CüstrinchenAlt Rüdnitz 1773, Elisabeth Gerdts, geb. Moritz, * 1935 in Moritzfelde am Madüsee. Einige Nachkommen der nach Westpreußen und Pommern versprengten Familie Moritz haben sich aufgrund meiner Forschungen im letzten Jahr kennen gelernt.
Schultze / SchulzAdlig-Neu-Reetz 1756, Alt Rüdnitz 1799, 1866
SchnabelAlt Rüdnitz 1798
Sieke / SieckeCüstrinchenAlt Rüdnitz 1785, 1834. Aufgrund der Häufigkeit dieses Namens ist die Familienfoschung ohne Dokumente sehr schwierig.
WurlCüstrinchenAlt Rüdnitz 1787, 1860. Aufgrund der Häufigkeit dieses Namens ist die Familienfoschung ohne Dokumente sehr schwierig.

7 thoughts on “Alt Rüdnitz”

  1. Guten Tag Frau Gerdts,
    ich bin im Besitz eines Gesindebuches meiner Vorfahren aus Alt Riednitz und Wriezen mit Eintragungen aus den 1700er Jahren. Sollten Sie interessiert sein, melden Sie sich bitte. Ich werde es Ihnen gerne kostenlos zuschicken.
    Mit freundlichen Grüßen
    Brigitte Henning

  2. Hello, Susanne –
    My ancestors lived in Alt Rudnitz. They came to America in 1847-1851. I very much enjoyed reading your article, and would be very interested in seeing the „Hufenklassifikationen“ from 1718, it is a document I have not come across before. Thank you for writing this, I learned things I did not know before.
    My ancestors were Gensmers, they were fishermen and owned „fischer-hofs“ in Alt Rudnitz in the 1700’s.
    Hope to hear from you. Thanks.

  3. Hallo
    ich erstelle das Ortsfamilienbuch von Güstebiese. DUrch Zufall bin ich auf Ihre Seite gestoßen.
    Familie Haase/Harse steht bei Ihnen.
    Gefunden habe ich bisher
    – Bertha Haase geb. 30.01.1878 in Güstebiese, welche einen Felix Mazany am 10.1.1898 in Berlin geheiratet hat.

    – Johann Haase vor 1860 in Güstebiese geboren ist. Er hat eine Amalie Lange geheiratet und sein Sohn war
    –Friedrich Carl geb. 11.02.1875 in Güstebiese, welcher eine Wanda Ottilie Geppert am 11.11.1898 in Berlin geheiratet hat.

    Ich würde gerne Ihre Familie Haase/Harse in das Ortfamilienbuch eintragen, welches Sie unter
    https://www.ortsfamilienbuecher.de/famlist.php?ofb=guestebiese&b=A&lang=de
    finden können.
    Mit freundlichem Gruß
    Norbert Bosse

  4. Hallo Frau Gerdts,
    meine Mutter ist 1932 in Alt Rüdnitz (Eltern Matthes und Dehne) geboren. Von Zeit zu Zeit schaue ich aus sentimentalen Gründen zu Alt Rüdnitz ins Internet und bin so auf Ihre interessante Seite gestoßen, vielen Dank.
    Ich möchte anmerken, dass der Absatz „Am 31. Januar 1945 ..“ nicht korrekt ist, die Bevölkerung wurde nicht von der russischen Front überrollt und nach Osten getrieben. Ich habe zu dieser Zeit noch eine Aufzeichnung von Paul Rottmann, wenn Sie Interesse daran haben, kann ich Sie Ihnen gerne zur Verfügung stellen.
    Viele Grüße,

    1. Hallo Frau Stachetzki,
      entschuldigen Sie bitte, dass ich erst jetzt antworte, aber nun habe ich endlich wieder etwas Zeit für die Ahnenforschung. Vielen Dank für Ihre Email, das klingt sehr interessant. Gerne würde ich die genannten Aufzeichnungen lesen! Ich hoffe auch, bald meine Chronik fertigstellen zu können, und da kann jeder Hinweis hilfreich sein.
      Mit freundlichen Grüßen

  5. Hallo,
    bin auf der Suche nach Informationen über Alt Rüdnitz.
    Meine Mutter ist dort geboren und die ganze Familie mußte 1945 flüchten.
    Irmgard Emma Marie Zernikow (verheiratet Thefs).
    geb. 30.04.1936 in Alt Rüdnitz.
    Vater Herbert Zernikow
    Mutter Hedwig Zernikow geb.Jänike
    Mir sind alle Geschwister,Namen bekannt.
    Jegliche Informationen über Ahnen in Alt Rüdnitz habe ich noch nicht rechechieren können.
    Stammbaum My Heritage unter Thefs.
    Mein Name Ralf Thefs geb 1964 in Zehdenick
    Ralf Thefs
    Straße 158 Nr 16
    13053 Berlin
    T.Ralle64@gmx.de
    Vielen Dank

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